Wie sieht ein vertrauensvolles Verhältnis von Partnern aus?

Vertrauen ist eine tragende Säule jeder Beziehung zwischen Mann und Frau, zwischen Eltern und Kind aber auch im beruflichen Kontext. Insbesondere in der Elter-Kind-Beziehung und der Paarbeziehung braucht es das gegenseitige Vertrauen, um eine gesunde Beziehung und Entwicklungsmöglichkeit von allen Beteiligten zu ermöglichen.

Wird eine Beziehung von Misstrauen dominiert kostet es die Partner viel Kraft und verursacht Stress. Folgen sind Unzufriedenheit, häufige Auseinandersetzungen und subtile Schuldzuweisungen, die früher oder später jede Beziehung so stark belasten, dass eine Trennung sehr wahrscheinlich wird. Im Alltag sieht es so aus, dass sich die Partner emotional distanzieren.

Die Kommunikation, als eine der wichtigen Ressourcen jeder Beziehung wird durch diesen Umstand sehr beeinträchtigt. Dadurch wird der Weg hin zum Vertrauen stückweit verbaut. Das konnte in Studien von Prof. Dr. Guy Bodemann nachgewiesen werden: „So konnte gezeigt werden, dass die Kommunikationsqualität unter Stress um 40 Prozent niedriger ist als unter Normalbedingungen.“ (Quelle: Familienhandbuch (Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration).

Folge ist eine hohe emotionale Unzufriedenheit, Stress. Misstrauen bedeutet eine enorme Belastung der Partner in der Beziehung und hat grosse Auswirkungen auf das Wohl der Kinder.

Wenn Vertrauen in der Beziehung vorhanden ist, wird die Beziehung zu einer Ressource, zu einen Ort an dem man sich wohl- und geborgen fühlt. Ein vertrauensvolles Verhältnis zeichnet sich durch das Gefühl von Verlässlichkeit und Verbindlichkeit aus. „Ich weiss, ich kann mich auf dich verlassen!“ Und weil ich dem so sicher bin, kann ich meinem Partner auch viel anvertrauen: meine Befindlichkeit (z.B. Sorgen, Ängste), aber auch mein Geld oder meine Kinder.

Ich fühle mich in einem vertrauensvollen Verhältnis sicher in der Beziehung; die Bindung zwischen uns ist verlässlich, das Verhalten meines Partners ist für mich berechen- und vorhersagbar. In der Psychologie spricht man dann auch von einer sicheren Bindung.

Durch das Vertrauen entsteht eine grosse emotionale Bindung, die für eine glückliche Beziehung notwendig ist. Ein vertrauensvolles Verhältnis ermöglicht das Gefühl von intensiver Intimität, Geborgenheit und Wohlbefinden in einer Beziehung.

Susan M. Johnson (2009) Begründerin der „Emotions- fokussierten Paartherapie“ sagt: Eine wesentliche Ursache vieler Beziehungsprobleme ist die verlorengegangene emotionale Bindung zwischen den Partnern.

Je höher die Bindung zwischen den Partnern ist, desto höher ist das Vertrauen und umso grösser wird die Qualität der Beziehung empfunden. Die Auswirkungen auf das Wohl der Kinder sind sehr gross.

Wie wichtig ist ein solches Verhältnis der Eltern für Kinder? Und umgekehrt: Was bedeutet mangelndes Vertrauen? 

Die Psychologie geht heute sehr stark davon aus, dass die Art, in der wir die Beziehung zu engsten Bezugspersonen (Vater und Mutter) erlebt haben, alle unsere späteren Liebesbeziehungen prägen (vgl. Bindungstheorie und –forschung).

Die Theorie der Bindungsstile (nach John Bowlby und Mary Ainsworth) besagt, dass die Arten der Bindungen, die wir früh im Leben entwickeln, die Arten der Beziehungen beeinflussen, die wir als Erwachsen bilden.

Das bedeutet, je nachdem welche Art von Zuwendung und Zuneigung das Kind bekommt und vor allem wie verlässlich diese Zuwendung ist, entsteht ein tiefes Gefühl von Vertrauen oder bei fehlender Zuwendung und fehlender Verlässlichkeit das Gefühl von Misstrauen im Kind bzw. Menschen. Die Bindungstheorie unterscheidet vier verschiedene Typen (Stile) von Beziehungen zwischen kleinen Kindern und ihren Bezugspersonen.

Eine wesentliche Annahme der Bindungstheorie besteht darin, dass der besondere Bindungsstil, den wir als Kleinkinder und Kinder lernen, unser Schema (inneres Bild) dafür wird, wie unsere Beziehungen aussehen. Dieses Schema begleitet uns durch das ganze Leben und beeinflusst, wie wir unsere Beziehungen prägen und unser Gegenüber und die Welt insgesamt wahrnehmen.

So ist beispielsweise ein sicherer Bindungsstil charakterisiert durch Vertrauen, dem Gefühl, dass man wertvoll und geliebt wird oder einem Mangel an Angst vor dem Verlassen-Werden. In einer vertrauensvollen Beziehung sind die Bedingungen den Kindern eine grosse Portion Selbstvertrauen mitzugeben erheblich grösser als in einer durch Misstrauen geprägten Umgebung. Dies hat wiederrum Auswirkungen auf die spätere Beziehung der Kinder. Dr. Rolf Merkle beschreibt es so: Die Grundlagen für das eigene Selbstvertrauen werden in der Kindheit durch verschiedene Erfahrungen gebildet. Kinder haben zunächst eine grosses Vertrauen zu ihrer Umwelt, bis die ersten Enttäuschungen passieren.

Später übertragen wir die mit Bezugspersonen gemachten Erfahrungen oft ungeprüft auf den aktuellen PartnerInn und begegnen so dem PartnerInn mit Misstrauen.

Erwachsene mit einem sicheren Bindungsverhalten berichten in Befragungen hingegen, dass sie anderen leicht nahekommen, ihnen schnell vertrauen und befriedigende Liebesbeziehungen haben.

Kinder, die erleben, dass ihre Bedürfnisse nicht angemessen befriedigt werden, ihre engsten Bezugspersonen distanziert sind oder gar abweisend auf das Kind und seine Bedürfnisse reagieren, entwickeln einen vermeidenden Bindungsstil. Das Bindungs-bedürfnis des Kindes wird unterdrückt und prägt nun auch in Zukunft das Verhalten anderer Menschen gegenüber. Für diese Menschen wird es eher schwierig werden intime Beziehungen zu entwickeln. Sie berichten bei Befragungen, dass sie sich unbehaglich fühlen, wenn sie anderen nahekommen. Oder dass es ihnen schwerfällt, anderen zu vertrauen. Die Liebesbeziehungen werden weniger befriedigend erlebt.

Fazit: Die Art der Beziehung, die wir mit unseren Eltern hatten, beeinflusst unsere Beziehungen mit anderen im Erwachsenenalter.

Vertrauen - Bildung und Propstei – Römisch-Katholische Kirche im Aargau

Fehlt das Vertrauen einmal, lässt es sich dann wieder herstellen – wenn ja, wie??

Die Bindungstheorie impliziert nicht, dass Menschen, die unglückliche Beziehungen mit ihren Eltern hatten, dazu verdammt sind, diese gleiche Art unglücklicher Beziehungen mit jedem zu wiederholen.

Menschen können sich verändern und tun es auch! Neue Erfahrungen in Beziehungen können helfen, neue, andere und allenfalls auch gesündere Wege in den Beziehungen zu anderen zu lernen.

Kommt es auf der Paarebene jedoch zu einem Vertrauensbruch, entscheiden frühere Beziehungserfahrungen durchaus mit, wie schnell das Vertrauen zum Partner wieder aufgebaut werden kann. Hat beispielsweise ein Partner bereits als Kind erlebt, dass andere Menschen nicht verlässlich oder gar unberechenbar oder böse sein können, dann braucht es viel bis wieder ein tiefes Vertrauen aufgebaut ist.

Natürlich häng es aber auch davon ab durch was das Vertrauen beinträchtig wurde. Eine Affäre hat eine andere Bedeutung als eine nicht eingehaltene Versprechung oder eine Lüge. Gegenseitiges Vertrauen ist ein Ergebnis des Tuns und ein Prozess der mal mehr, mal weniger aufwendig und langwierig sein kann. Auf der Beziehungsebene geht es darum, viele gemeinsame und positive Erfahrungen zu machen.

Wie bereits gesagt, es kommt darauf an, wie stark die Enttäuschung ist und wie wichtig der Bereich ist, der durch das Fehlverhaltens verletzt wurde. Ist der Vertrauensbruch irreparabel sind die Chance gering wieder Vertrauen aufzubauen.

Das Verzeihen können ist für diesen Prozess sehr wichtig. Daher muss jeder für sich prüfen, ob er das Geschehene verzeihen kann oder nicht. Wenn Verzeihen möglich ist, kann ein neues Vertrauen wachsen. Paare berichten oft, dass es erst nach einem grossen Vertrauensbruch möglich war sich den Problemen, die einen Belastung für die Beziehung waren, zu stellen und diese auf eine neue Art und Weise zu lösen.

Es ist eine Frage der persönlichen Entscheidung, sich nach einem Vertrauensbruch, wieder in eine positive Erwartungshaltung zu versetzen und sozusagen mit dem Vertrauen in Vorleistung zu gehen. Auch auf die Gefahr hin wieder enttäuscht zu werden. Wichtig ist dabei das Sammeln positiver Erfahrungen in zunächst nicht so wichtigen Bereichen oder bedrohlichen Bereichen der Partnerschaft.

Analog lässt sich das mit dem Autofahren vergleichen: Nach einem Unfall stehe ich vor der Wahl: Fahre ich jemals wieder oder nicht. Wenn man sich entschliesst es wieder zu tun, wird man sich in der Regel nicht gleich auf die Rennstrecke begeben, sondern mit einer ruhigen Seitenstrasse anfangen.

Peter Michalik

Peter Michalik – Bildung und Propstei, Römisch-Katholische Kirche im Aargau
Vertrauen - Bildung und Propstei – Römisch-Katholische Kirche im Aargau

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