Abschiedsrede von Claudia Mennen 13.06.2024
(30 Jahre Bildungsarbeit in der Fachstelle Bildung und Propstei und 17 Jahren als Leiterin der Propstei Wislikofen)
Liebe Weggefährt:innen
Was ist für dich der heiligste Ort in der Propstei?
Ich habe mir die Frage auch gestellt…
Ist es der Kontemplationskurs im Raum der Stille?
Ist es das Abendessen im Innenhof nach einem intensiven Bildungstag?
Ist es der Moment, wenn ich zu Beginn einer Führung in der Kirche singe «Lass deinen Mund stille sein, dann klingt dein Herz…»?
Ist es der Moment im Bibliodrama, wo sich Lebensgeschichte und Evangelium begegnen und etwas Neues, Unerwartetes entsteht, etwas, dem ich mich nicht entziehen kann und das mich unbedingt angeht?
Ich frage nicht, was ist das USP der Propstei? Ich frage, was ist der heiligste Ort der Propstei?
Vielleicht müssten wir aber auch anders fragen:
Was macht die Propstei zu einem heiligenden Ort, einem Ort, der mich in Verbindung bringt mit dem Grund meiner Existenz, mit dem Geschenkcharakter des Lebens, mit meinen tiefsten Wurzeln, mit meiner Bestimmung, meinem Verlangen, dem, was in mir und durch mich wachsen will?
Wie kann die Propstei ein Ort sein und bleiben, an dem die Immanenz transparent für die Transzendenz wird? Wo gefährliche Erinnerungen genährt werden? Wo Menschen ermutigt, gestärkt und inspiriert werden? Wo der Glaube an und die Hoffnung auf Gleichwürdigkeit, Gerechtigkeit und Frieden genährt werden? Es ist wichtig danach zu fragen… Es ist nicht fromm.
Liebe Propstei, vielleicht sollten wir dich selbst fragen, was das Heiligende in dir ist, das, was unbedingt bewahrt bleiben muss.
In deiner langen Geschichte warst du ein Zufluchtsort für die Benediktiner aus St. Blasien und die Benediktinerinnen aus Berau.
Auch heute erzählen Kursteilnehmerinnen und Gäste, wie geborgen sie sich in dir fühlen! Was suchen sie bei dir? Eine neue Beziehung zu sich selbst? Eine Kurskorrektur? Einen Moment des Innehaltens und der Stille? Eine Begegnung? Einen Ruf? Einen Schatz?
Liebe Propstei,
was müssen wir bewahren, um dir und deinen Gästen gerecht zu werden? Reicht es, eine ästhetische und leibliche Wohlfühlatmosphäre zu bieten? Oder willst du anders erkannt sein?
Als ehemaliges Benediktinerkloster bist du ein Raum, an dem die Arbeit dem Gebet untergeordnet wurde. Fünf Mal am Tag haben die Mönche sich unterbrechen lassen. Sie haben alles stehen und liegen gelassen…Warum?
Um zu hören! In sich selbst hinein, auf die Gemeinschaft und auf die Überlieferung. Sie haben alles stehen und liegen gelassen, um zu sehen – in ihr eigenes Herz, in das der anderen, in das Herz der Überlieferung. Sie haben alles stehen und liegen gelassen, um zu spüren.
Sich unterbrechen lassen ist eine grosse Kunst. Dieses Aussteigen aus dem Reiz-Reaktionsmuster. Diese Offenheit…diesen Mut, auf vorschnelle Antworten zu verzichten und die Frage zu leben, bis die Antwort sich offenbart…
Ist es das, was du bewahrt wissen möchtest, liebe Propstei?
Deinen Charakter als einen heterotopen Ort, als einen Andersort? Einen Ort, der die Normalvorstellungen vom Leben womöglich ins Wanken bringt? Einen Ort, der einem einen alternativen Diskurs zumutet?
Willst du ein Ort sein, der in seinem Bildungsprogramm gerade das deutlich macht? Dass es not-wendend ist, dass wir uns im rasenden Stillstand wie Hartmut Rosa sagen würde, immer wieder unterbrechen lassen. Dass es eine Bildung geben muss, die mich einlädt, mich zu ent-wickeln, aus Verwicklungen auszuwickeln und das zu entwickeln, was lebendig macht und Leben stiftet?
Liebe Propstei, liebe Fachstelle Bildung und Propstei, wir wissen es alle. Du verkaufst dich teuer. Du bist nicht billig zu haben. «Wozu diese Verschwendung?», fragen die Jünger, als die namenlose Frau eine Phiole voll Nardenöl über dem Kopf von Jesus von Nazareth zerbricht und ihn salbt. Wozu diese Verschwendung?
Und Jesus antwortet: Sie hat ein kalos ergon, ein schönes Werk an mir getan. Was ist das schöne Werk? Es ist eine heiligende Geste: Ich sehe dich, sagt die namenlose Frau und durch dich hindurch sehe ich den königlichen Menschen, wie Gott ihn gemeint hat.
Wir alle können dieser namenlosen Frau unseren Namen geben und so bewahren, worauf es ankommt in der Fachstelle Bildung und Propstei.
Herzlichen Dank!