Lieber grün als schwarz sehen: Praktische Ideen für Nachhaltigkeit im Alltag

Ob in der Kaffeepause oder bei einem gemeinsamen Essen mit Freunden, immer wieder die gleichen Diskussionen. In aller Kürze zusammengefasst, lautet es in etwa so: „Für unsere Zukunft sehe ich schwarz. Wir können nichts tun. Zum Glück bin ich nicht mehr jung!” Der letzte Satz ist meinem Alter geschuldet. Bei jüngeren Menschen wird daraus gerne die Entlastungsformel: «Was kann ich als kleiner Winzling schon bewirken.“

Diese Gedanken werden im liturgischen Modus «litaneienhaft» in und ausserhalb von Religionsgemeinschaften endlos wiederholt. Sie stanzen sich in unsere Hirne und erhärten sich zu Narrativen, die sich kritiklos als Deutungshoheit unserer Wirklichkeit manifestieren. Im Grunde bleiben sie purer Sarkasmus gegen jede menschliche Daseinsform.

Selbstverständlich kann ich etwas tun! Nehmen wir die Ferienplanung. Warum in die Ferne schweifen, wenn das Glück so nahe liegt. Bewusst eine Destination mit reduziertem Mobilitätsaufwand berücksichtigen. Kein Problem, oder? Der Erholungsfaktor wird nicht geschmälert. Jedenfalls keine Studie der Welt kann das widerlegen. Wenn dann doch mal eine Fernreise mit Flugzeug erwünscht ist, kann man vor lauter Flugscham mit gesenktem Kopf herumlaufen oder die Zeit vor dem Einchecken nutzen, um adäquate CO2 Kompensationen zu finden. Die gibt es. Setzen sie nicht desinteressiert ein Häkchen bei der Onlinebestellung ihres Flugtickets, sondern denken sie ruhig kosmopolitisch gross, wenn sie gerade die Welt bereisen. Recherchieren sie sinnvolle Kompensationsangebote.

Sie werden bestimmt kreative Möglichkeiten aufspüren. Finden sie etwas passend? Dann zögern sie nicht. Aufgepasst! Allzu gerne schleicht sich das genannte Deutungs-Narrativ ein. Es gibt vertrauenswürdige und transparente Kompensationsprojekte und nicht alles ist Fake oder Greenwashing. Wenn jede ausgestossene Flugmeile in zusätzliche Schulprojekte, Windkrafträdern, Biogassanlagen etc. gehen würde, dann wäre die Zukunft schon deutlich «grüner».

Nachhaltigkeit im Alltag- Bildung und Propstei – Römisch-Katholische Kirche im Aargau

Kompensationsprojekt effiziente Kochöfen in Kenia

Haben sie einen Garten?

Super. Dann können sie auch etwas tun für die Zukunft. Ich frage mich häufig, was uns die Sterilität unserer Gärten eigentlich mitteilen will. In Zukunft bücken sie sich bitte nicht mehr so viel um das Beikraut zu eliminieren, sondern lassen sie es ruhig stehen. Schonen sie ihren Rücken und die Insekten werden sich erkenntlich zeigen und dafür Läuse oder andere unliebsamen Sauger im Zaum halten. In einigen Kirchgemeinden (es sind noch viel zu wenige) werden die Grünflächen nicht mehr komplett kurz geschoren, sondern ein Teil der Fläche hat sich zur Blumenwiese oder Magerwiese transformiert.

Mit der ersparten Zeit fürs Mähen, kann man ruhig mal die kleinen Wunder unserer Natur besehen. Das bunte Meer an Blumen und die Vielzahl an prächtigen Schmetterlingen nehmen zu und sind Balsam für die Seele. Apropos Balsam für die Seele. Warum Steingärten oder rasierte Grünflächen, wenn ein Gartenbeet uns vor ein Krankenbett schützen kann. Medizinisch ist die Wirkungsweise zwar nicht genau geklärt, doch Untersuchungen haben festgestellt, dass die Gartenarbeit gesund für Leib und Seele ist.

Ein gesunder Boden übrigens kompensiert mehr CO2 als wir lange vermutet haben und ein üppig wachsender Garten kühlt deutlich die Umgebung. Im Vorbeischlendern an Gärten unserer Liegenschaften erkenne ich noch reichlich Potential für eine «grünere» Zukunft.

Nachhaltigkeit im Alltag- Bildung und Propstei – Römisch-Katholische Kirche im Aargau

Mehr Wildheit im Garten

Haben sie schon von den Balkonkraftwerken oder Minikraftwerken gehört?

Kurzum mal zwei Solarpanels montieren, in die Steckdose stecken und der Grundumsatz ihres Energiebedarfs im Haushalt wird grösstenteils von der Sonne bezahlt. Nehmen wir wieder die 4,7 Millionen Wohneinheit. (In Bürogebäuden gäbe es auch noch riesiges Potential) Jede Wohneinheit wird mit einem Balkonkraftwerk oder Minikraftwerk versehen. Das entspricht einer theoretischen Jahresleistung von 1880 Gigawattstunden Strom. (Zürich benötigt ca 3000 Gigawattstunden pro Jahr.) Genial einfach, oder? Ich gebe zu, diese Panels sind nicht gerade eine Schönheit, doch vielleicht kann so ein Kraftwerk auch als Beschattung genutzt werden. Hier ist Kreativität gefordert. Jedenfalls eine kleine Handlung mit grosser Wirkung.

Nachhaltigkeit im Alltag- Bildung und Propstei – Römisch-Katholische Kirche im Aargau

Mehr Wildheit im Garten

Für die Nachhaltigkeit im Alltag können etwas tun. Sehr viel sogar.

Kleines und Grosses. Jede und jeder. Gar keine Frage. Meine Ausführung ist ja nur ein klitzekleiner Ausschnitt an Möglichkeiten, die ihnen hoffentlich Mut macht, diesen sarkastischen Spruch nicht mehr zu akzeptieren. Dann treffen wir uns vermutlich bei der nächsten Kaffeerunde und können uns über die Schönheit wegweisender Glaubenssätze unterhalten. Zum Beispiel über diverse Schöpfungserzählungen der verschiedensten Religionen und Kulturen. Augenfällig ist einer ihrer Gemeinsamkeiten.

Die Erde das Paradies als Geschenk an uns und an allem Lebendigen. Schopenhauer hat den schönen Satz geprägt: «In allem ist Leben, das leben will.» Den dürfen wir wörtlich nehmen. Überall um mich herum ist Leben, das Leben will und ich bin mittendrin. Kein männlicher Ego-Gockel, der alles kann, weiss und darum über allem steht. Nein eingewoben in einem lebendigen Teppich und Teil vom Ganzen, wo gedachte Grenzen allmählich verdunsten und … Jane Goodall, die wunderbare Primatenforscherin findet dafür berührende Worte «Da draussen im Wald allein zu sein war für mich absolut wunderbar. Es war, als würde ich ein Teil vom Wald. Wenn du allein bist, vergisst du das Menschsein und wirst Teil vom Ganzen.»

Im christlichen Schöpfungsmythos wird dem Menschen anvertraut, allem einen Namen zu geben. Schöner kann die Verbundenheit gar nicht zum Ausdruck gebracht werden. Als Namensgeberin und Geber gehe ich eine intime Beziehung ein und übernehme selbstverständlich Verantwortung. Ich werde mich dem Hingeben. Eine Eigenschaft, die den Menschen erst zum Menschen macht. Alles andere gehört eher in das Reich der Primaten, woher wir bekanntlich stammen. Wir haben die Wahl, dass aus dem ziemlich primitiven Menschen der Gegenwart etwas wird was dem homo sapiens (Mensch mit Weisheit) gerecht wird. Raus aus der arroganten Falle der Selbstüberschätzung, hineinfallen in die dicht mit allem verwobene Hängematte der Schöpfung.

Und übrigens: Wenn wir die Krönung der Schöpfung sein sollen, warum geschieht das am vorletzten Tag der Schöpfungserzählung. Am letzten Tag – am Krönungstag der Schöpfung – steht Staunen und Ehrfurcht. «So wurden Himmel und Erde vollendet. Am siebten Tag vollendete Gott das Werk und er ruhte am siebten Tag. Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn.» (Einheitsübersetzung: Genesis 1,2) Ruhend gesegnet zu sein mit allem und in allem ist mir sympathischer als mich ruhelos selbstoptimierend krönen zu müssen und einsame Spitze zu sein. (mehr hat oben nicht Platz) .

Wir haben die Wahl.

Alois Metz
Umweltbeauftragter der katholischen Landeskirche Aargau

Alois Metz – Bildung und Propstei, Römisch-Katholische Kirche im Aargau
Nachhaltigkeit im Alltag- Bildung und Propstei – Römisch-Katholische Kirche im Aargau

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