Ent-wicklung und Potenzialentfaltung vor und in der Kirche.

Der Hirnforscher Gerald Hüther sagt: der Sinn des Lebens besteht nicht darin glücklich zu sein. Der Sinn des Lebens liegt in der Würde des Menschen. Es geht darum, zu entdecken, dass ich eine Kostbarkeit bin, unendlich wertvoll.

Eine solche Entdeckung machten Frauen und Männer, Kinder und Erwachsene am Sonntag, den 28. April in Klingnau. Begleitet von einer Gruppe von Frauen, dem Gemeindeleiter und Alois Metz als Vertreter der Fachstelle Bildung und Propstei.

Zuerst ging es um die Ent-Wicklung. Ent-Wicklung heisst, Menschen befreien sich von festen Vorstellungen, Haltungen und Unglücks-Re-Zitationen. Sie entdecken, dass sie nicht festgelegt sind auf das, was noch nicht so gut läuft im eigenen Leben, in der Welt, in der Schöpfung, in der Kirche. Es kann anders werden. Dazu muss sich jeder und jede auswickeln, aus dem, was bindet, was verletzt und was klein macht.

Brigitte weist auf verschiedene Gemüsesorten und spricht: «Die Gemüsesorten stehen für Vielfalt auf unseren Tellern. Aber Monokulturen und der Anspruch, dass nur perfekt Gewachsenes auf den Markt kommt, verhindern Vielfalt und sorgen für Verschwendung von Ressourcen. Auch in der Kirche ist Monokultur fade. Immer zu denken, was erlaubt und was verboten ist, behindert Menschen und die Gemeinschaft in ihrer Entwicklung.»

«Hier ist Honig», sagt Anita. «Er steht für den Genuss und die Süsse des Lebens und Glaubens. Aber unsere Art zu leben, sorgt dafür, dass Bienen und viele andere Insekten bedroht sind. Die Süsse wird bitter. Auch die Feier von Gottesdiensten schmeckt bitter, solange die gleiche Würde und die gleichen Rechte von Männern und Frauen in unserer Kirche mit Füssen getreten werden.»

Nachdem die Wirklichkeit ins Wort gebracht wurde, ziehen alle Mitfeiernden in die Kirche.

Sie haben sich ent-wickelt. Sie sind sich ihrer Würde mehr bewusst geworden. Sie glauben auch an die Würde der Mitgeschöpfe. Dass mehr möglich ist. Sie haben gesungen, dass die gemeinsamen Träume der Beginn einer neuen Wirklichkeit sind!

In der Kirche ist alles anders als erwartet. Die Feiernden sitzen nicht im Kirchenschiff, sondern rund um den Altar. Sie spüren, dass sie würdig sind, dort zu sein, zu singen, zu hören und zu beten. Ein kurzes Evangelium von Lukas wird von Brigitte vorgelesen. Lukas schreibt, wie die Frauen, die mit Jesus durch Galiläa gezogen sind, ihn und die anderen Jünger mit ihrem Vermögen unterstützen. Mit Namen genannt werden Maria von Magdala, Johanna und Susanna.

Was mein Lukas mit dem vieldeutigen Wort «Vermögen»? Geht es nur um Geld, oder steht es auch für alle anderen Begabungen, Reichtümer und Kostbarkeiten, die die Frauen zu geben hatten?

Mit Regine, Anita, Brigitte, Alois und Peter bekennen sich alle zu ihrem eigenen Vermögen:

«Wir haben das Vermögen, das Brot und alle unsere Lebensmittel zu achten und gerecht zu teilen. So schafft es Gemeinschaft. So schmeckt es nach Reich Gottes.

Wir haben das Vermögen unser Leben süss und genussvoll zu gestalten. Gleichwertigkeit und gleiche Würde sind wie Honig.

Wir haben das Vermögen, Vielfalt zu leben. Unsere Eigenarten in Freiheit zu entfalten.

Wir haben das Vermögen, Nähe und verbindliche Beziehungen zu gestalten und dabei Grenzen zu achten.

Wir haben das Vermögen, Feste des Lebens in Gleichwertigkeit zu feiern und einander und dem Leben zu dienen.

Wir haben das Vermögen, eine Sprache für unseren Glauben zu finden, in der unser Leben vorkommt, die nährt und weiterträgt.

Wir haben das Vermögen, alle zu achten, die am gemeinsamen Tun mitwirken und gemeinsam miteinander Entscheidungen für die Zukunft zu treffen.»

Die Feiernden sind nun bewusst verbunden mit ihrer priesterlichen, prophetischen und königlichen Berufung. Sie sagen Ja zum Potenzial, das geteilt werden und leben will.

Im Hochchor laden Bistrotische ein. Sie sind reich gedeckt mit Käse, Wurst, Süssigkeiten, Wein und Wasser  – alles vom Nachhaltigkeitsmarkt in Klingnau.

Grosse und Kleine, Frauen und Männer segnen gemeinsam diese Gaben. Lebens-Mittel. Mittel zum Leben, damit Menschen nicht stecken bleiben in dem, was klein und gemein ist. Sie segnen diese Gaben als Zeichen für das Potenzial, für das Gute, für die Geistkraft, das sich in ihnen, in der Gesellschaft , in der Schöpfung und in der Kirche entfalten will. Sie essen und trinken miteinander. Sie erzählen einander, was sie bewegt hat in dieser Feier. Irgendwie wird spürbar: Wenn viele gemeinsam träumen, dann ist das der Beginn einer neuen Wirklichkeit!

Claudia Mennen

Claudia Mennen – Bildung und Propstei, Römisch-Katholische Kirche im Aargau
Maria von Magdala – Gleich­berechti­gung. Punkt. Amen. Liturgische Feiern vor der Kirchentüre! – Bildung und Propstei – Römisch-Katholische Kirche im Aargau

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