Dialog Kunst und Glaube – inspirierende Begegnung, die genussvoll nachwirkt.
Kennen Sie das auch? In angenehmster Atmosphäre wird ein eleganter Wein offeriert und noch Tage danach liegt der wunderbare Geschmack des Weines ganz leise auf der Zunge und mit ihm das Bukett der feinen Gespräche. Über das sinnliche Erwecken des Gaumens wird Sinnhaftes in Gesprächen genährt.
Genau so erging es mir am Sonntagnachmittag im Kunsthaus Aargau. Anstatt des Weines wurden uns von Silja Burch und Nicolaas Derksen fünf Bilde zum Degustieren offeriert.
Zum ersten Bild von Louise Catherine Breslau ist eine junge Frau mit Zirkel in der Hand und Notizblatt – nicht wie zu erwarten – mit Zahlen oder Formeln, sondern mit pastelligen Farbtupfern zu sehen. Zur unverkürzten Wirklichkeit des Menschen gehören Naturwissenschaft und Mystagogie zusammen, so die Deutung von Derksen. Wie Leib und Seele eine Einheit bilden und den Menschen formt, schwängert Naturwissenschaft die Religion und Religion die Naturwissenschaften. Ein schöpferisches Reifen, gleichsam den Trauben und der Sonne. Wie Silja Burch und Nicolaas Derksen, die sich als Kunsthistorikerin und Pastoraltheologe wunderbar ergänzten.
Mit Hilfe des zweiten Bildes von Michael Biberstein führte Derksen uns zur tiefsten Ursprünglichkeit von Religion. Trotz der Schwärze ist die „Dunkelheit mir hell genug.“, wie Derksen Johannes von Kreuz zitiert.
Leid und Schmerz, tiefste Abgründe, kaum zu Ertragendes hat Derksen mit dem Bild ausgewählt.
Schon die Auswahl erfordert Mut in unserer „Like-Gesellschaft“ (Byung-Chul Han) und Derksen tabuisiert nicht oder vertröstet mit billigen Worthülsen, sondern der Bibliodrama-Lehrer bringt sich selbst ganz mit ein und führt uns mitten durch dieses „Schwarz“ und keltert behutsam und sorgfältig dieses entsetzliche Dunkel.
Als Essenz verdichtet sich ein wundersames, vorbehaltloses, bejahendes Du, welches verbindlicher ist als die eigene Vorstellungskraft es für möglich hält. „Du bist mir in der Dunkelheit hell genug.“
So ging es fortan weiter. Burch eröffnete die Räume der ausgewählten Bilder, verortete Künstlerinnen und Künstler gleichsam einer Winzerin, die die Eigenart des Bodens im Zusammenspiel mit der Rebsorte kennt, und weitete somit den Horizont für die gemeinsamen Gespräche.
Weinkarten können einen Wein mit seinen verschiedenen Aromen und dessen Zusammenspiel zum Glück nur bedingt beschreiben. Wie ein Wein die eigenen Geschmacksknospen anregt und vielleicht ein langanhaltendes Feuerwerk der Sinnlichkeit auslöst, kann nur die Person entdecken, die ihn kostet.
Dies gilt auch für diese Veranstaltung. Der persönliche Zauber kann nur geschmeckt werden, wenn man sich darauf einlässt.
Hier die beiden Termine für das kommende Jahr Donnerstag 21.03.2024 und 5.9.2024 jeweils um 18.30 Uhr im Kunsthaus Aargau.
P.S. selbstverständlich könnte es auch ein erfrischend und überraschend spritziger Cocktail ohne Alkohol sein, der selbiges auslöst.
Veranstaltungslink zu Kunst und Glaube im Aargauer Kunsthaus